Gauck: „Pegida“ nicht so viel Be­ach­tung schen­ken

FAZ (epd/dpa/KNA) – Bun­des­prä­si­dent Joachim Gauck spricht sich bei dem Besuch eines Flücht­lings­hilfe­ver­eins in Magde­burg dafür aus, frem­den­feind­lichen „Chaoten und Strö­mun­gen, die wenig hilf­reich sind“, nicht so viel Beach­tung zu schen­ken. Ähnlich äußert sich der Kölner Kardinal Woelki.

Positive Beispiele im Umgang mit der wachsenden Zahl von Flücht­lingen sollten aus Sicht von Bun­des­prä­si­dent Joachim Gauck stär­ker Auf­merk­sam­keit bekommen als frem­den­feind­liche Bewe­gungen wie „Pegida“. Solche „Chaoten und Strö­mungen, die wenig hilf­reich sind“, soll­ten nicht so viel Beach­tung fin­den, sagte Gauck am Freitag beim Besuch eines Flücht­lings­hilfe­vereins in Magdeburg. Der Bundes­prä­si­dent und seine Lebens­gefähr­tin Daniela Schadt spra­chen mit jun­gen Flücht­lin­gen etwa aus Syrien, die ohne Eltern nach Deutsch­land gekommen sind, sowie Mit­ar­bei­tern des Ver­eins. In Sachsen-Anhalt über­nimmt der Verein Refu­gium die Vor­mund­schaften für un­be­glei­tete min­der­jährige Flücht­linge – andern­orts machen das die Jugend­ämter.

Bundespräsident Joachim Gauck beim Besuch eines Flüchtlingshilfe-Vereins an diesem Freitag in Magdeburg: Positiven Beispielen mehr Aufmerksamkeit schenken. (Foto: dpa)

NRW-Innenminister Jäger: Nichts beschönigen

Nord­rhein-West­falens Innen­minis­ter Ralf Jäger (SPD) ver­tei­digte unter­des­sen seine Ein­schät­zung der „Pegida“-Or­ga­ni­sa­toren als „Neo­nazis in Nadel­strei­fen“. „Der or­ga­ni­sier­te Rechts­ex­tre­mis­mus versucht, sich diese Bewe­gung zunutze zu machen“, sagte er der Deut­schen Presse-Agentur mit Blick auf die Anti-Islam-Bewe­gung. „Das sind Neo­nazis in Nadel­streifen, die das orga­ni­sie­ren. Ich finde, man darf da nichts beschö­nigen.“ Jäger äußerte sich zu Beginn des zweiten Tages der Innen­minis­ter-Kon­fe­renz in Köln. Sachsens Innen­minis­ter Markus Ulbig (CDU) hatte ihn am Don­ners­tag vor einer Stig­ma­ti­sie­rung der „Pe­gida“-An­hän­ger gewarnt. Jäger sagte dazu: „Wir haben jetzt einige Auf­märsche in Nord­rhein-West­falen gehabt, drei weitere sind in Bonn geplant. Dahinter steht die Partei Pro NRW bezieh­ungs­wei­se die An­melder dieser Ver­samm­lungen in Bonn sind uns bekannt als Mit­glie­der von Pro NRW.“ Damit werde deut­lich, dass da­hin­ter in der Tat Rechts­ex­tre­mis­ten stün­den. „Das ist eine be­sorg­nis­er­re­gen­de Gefahr. Wenn sich das ver­fes­tigt, haben wir eine rechts­ex­tre­mis­tische Strö­mung, die keiner in Deutsch­land will.“

Kardinal Woelki: „Retter des Abendlandes“ brauchen wir nicht

Auch der Kölner Kardi­nal Rainer Maria Woelki hat sich kri­tisch zu anti­isla­mischen Bewe­gun­gen wie „Hooli­gans gegen Sala­fisten“ oder den soge­nann­ten „Pa­tri­oten Euro­pas gegen Isla­misie­rung des Abend­landes“ geäußert. „Sol­che ‚Retter des Abend­lan­des‘ brau­chen wir nicht“, sagte er im Inter­view der Katho­lischen Nach­rich­ten-Agentur (KNA) „Wir müs­sen diese He­raus­for­de­rungen mit rechts­staat­lichen Mit­teln lösen.“ Der Kar­di­nal begrüßte es, dass zur Gegen­demons­tra­tion gegen die jüng­ste Kund­ge­bung der Grup­pie­rung „Dügida“ (Düssel­dorfer Bür­ger gegen die Is­la­mi­sie­rung des Abend­landes) neben gesell­schaft­lichen Grup­pen auch die Kir­che auf­ge­ru­fen habe. Wei­ter betonte Woelki, Gewalt sei nie reli­giös zu recht­fer­tigen. Per­ver­tie­run­gen, die es lei­der so­wohl in der Geschichte des Chris­ten­tums als auch des Islam gegeben habe, dür­ften nicht mit der Reli­gion gleich­gesetzt werden. „Es ist nicht in Ordnung, ange­sichts von Gewalt­exzessen etwa der Terror­miliz ‚Is­la­mischer Staat‘ Mus­lime pauschal zu dis­kri­mi­nie­ren“, hob der Kardi­nal hervor. „An­der­er­seits haben mili­tante Sala­fis­ten in einem plu­ralen Rechts­staat nichts zu suchen.“ Auch hier­gegen gelte es, mit rechts­staat­lichen Mitteln vor­zu­gehen, sagte Woelki.

Herrmann: Innenminister müssen Strategie gegen „Pegida“ entwickeln

Bayerns Ressort­chef Joachim Herr­mann (CSU) sieht die Innen­minis­ter von Bund und Län­dern in der Pflicht, eine Stra­tegie gegen die islam­feind­lichen Demons­tra­tio­nen der so­ge­nann­ten „Pegida“-Akti­visten zu ent­wickeln. „Der Aufruf zur Tole­ranz allein wird hier nicht reichen“, sagte Herrmann der „Bild“-Zeitung. Das Schüren von Ressen­ti­ments gegen Mus­lime sei völlig inak­zep­ta­bel. Die Innen­minis­ter soll­ten „Ängste der Bevöl­­ke­­rung auf­­neh­men, bevor es rechts­­ex­­tre­­mis­­tische Rat­ten­­fän­ger mit ih­ren dumpfen Paro­len tun“. In­­to­le­­ran­ten is­lam­­feind­lichen Strö­­mun­gen müsse sich die Poli­tik ent­gegen­stellen, sagte der CSU-Politiker, und for­derte zugleich, den „Islamismus – also die radi­kale Aus­prä­gung des Islam – zu bekämpfen“. Dabei dürfe die Reli­gions­frei­heit fried­licher Mus­lime nicht infrage gestellt werden. Unter anderem in Dresden, Düssel­dorf und Kassel, aber auch in anderen Städten finden seit einigen Wochen regel­mäßig islam­feind­liche Demons­tra­tio­nen statt, die teils wachsenden Zulauf haben. In Köln beraten am Freitag die Innen­minister der Länder zusammen mit Bundes­innen­minis­ter Thomas de Maizière (CDU) unter anderem über Demons­tra­tionen gegen den Islam. De Maizière hatte am Don­ners­tag­abend in den ARD-„Tages­themen“ gesagt, zwar gebe es bei den „Pegida“-Ini­tia­to­ren der „pro­ble­ma­tische Ent­wick­lun­gen“, und anders als sie sich selbst bezeich­neten, seien sie auch keine pa­tri­o­tischen Euro­päer. „Aber unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Heraus­forderungen unserer Zeit.“ De Maizière wies auf eine Studie hin, die belege, dass sich ein Teil der Bürger wie Fremde im eigenen Land fühlten. „Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ Dabei hülfen Aufklärung, Gesprä­che und das Lösen der Probleme.

Umfrage: Mehrheit für gerechte Verteilung der Flüchtlinge

33 Prozent der Deut­schen ver­mu­ten, dass die „Pegida“-De­mons­tra­tio­nen mehr­heit­lich von Rechts­ra­di­ka­len besucht wer­den. 43 Prozent glau­ben, dass sich unter den Teil­nehmern vor allem „über die Aus­brei­tung des Islams besorgte Bürger“ befinden. Das ergab eine am Freitag in Berlin veröffentlichte repräsentative Emnid-Umfrage für den Fernsehsender N24. Auf die Frage, wie die Bun­des­re­gie­rung auf die Befindlichkeiten der Bürger reagieren soll, antworten 89 Prozent der Befragten, dass die Bundesregierung auf eine „gerechte Verteilung der Flücht­linge in Europa“ drän­gen sollte. 70 Pro­zent wol­len auch die Au­ßen­gren­zen der EU bes­ser kon­trol­lie­ren las­sen. 35 Prozent der Be­frag­ten sind dafür, mehr Flücht­linge auf­zu­neh­men. Aller­dings spre­chen sich auch 65 Pro­zent da­für aus, auf­genom­mene Flücht­linge bes­ser als bis­her zu be­treuen.