Bundespräsident Joachim Gauck besucht Flücht­lings­kinder in Magdeburg

Volksstimme – Joachim Gauck wirbt im Umgang mit Flüchtlingen dafür, mehr positive Beispiele in den Vor­der­grund zu rücken. Am Freitag be­suchte der Bun­des­prä­si­dent in Mag­de­burg Projekte, die sich um eltern­lose Flüchtlinge kümmern. Von Dominik Bath

„Wir brauchen ermu­ti­gende Bei­spie­le ge­gen­über einer Kul­tur der Angst­mache“, sagte Bundes­prä­si­dent Joachim Gauck bei seinem Besuch des Flücht­lings­­hilfe­­ver­­eins Refu­gium in Magde­burg. Gauck und seine Lebens­­ge­fähr­­tin Daniela Schadt spra­chen dort mit Flücht­lings­kin­dern, die ohne ihre Eltern nach Deutsch­land gekom­men sind. Der Flücht­lings­hilfe­ver­ein über­nahm in Sach­sen-Anhalt bereits 241 Vor­mund­schaf­ten für Kinder aus 44 Ländern. Aktuell stehen 38 Kinder unter der Obhut des Vereins.

Seit 1997 nimmt sich die Ein­rich­tung des Cari­tas-Ver­ban­des des Schick­sals der Min­der­jäh­rigen an. Gauck be­zeich­nete die Arbeit der Ini­tia­tive als „bei­spiel­haft“. Auch in anderen Bundes­län­dern sollte dieses En­ga­ge­ment für unbegleitete min­der­jäh­rige Flücht­linge Schule machen. Gauck wür­digte beson­ders das Be­mü­hen des Ver­eins, trotz teil­wei­se ge­setz­licher Hin­der­nisse den Ju­gend­li­chen Bil­dung zu er­mög­li­chen.

Ein Weihnachtsgeschenk für den Bundespräsidenten: Flüchtlingskinder haben in der Magdeburger Berufsschule Hermann Beims diesen Kerzenständer für ihn gefertigt, von links: Merhawi aus Eritrea, Aleksandar aus Serbien, Luan aus Vietnam und Amin aus Afghanistan.

Jugendämter leiten Clearing­verfahren ein

„Momentan haben wir beson­ders viele Kinder aus Sy­rien“, sagte die Ver­eins­­vor­­sit­­zen­de Monika Schwen­ke. Sie war von Gauck erst im Ok­to­ber mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz ausgezeichnet worden. In diesem Jahr sind dreimal mehr junge Flücht­linge gekommen als in den Vor­jahren.

Der Bun­des­fach­ver­band für unbe­glei­tete min­der­jäh­rige Flücht­linge schätzt, dass zwischen 7.000 und 9.000 junge Men­schen unter 18 Jahren in Deutsch­land leben. Die we­nig­sten dieser Jugend­lichen stellen einen Asyl­antrag. Sie wollen meist in Städte, in denen bereits Lands­leute leben.

Auf die Jugend­ämter der Kommunen kommt mit jedem min­der­jäh­rigen Flücht­ling, der ohne Eltern unter­wegs ist, viel Arbeit zu. Sie sind ver­pflich­tet ein sogenanntes Clea­ring­ver­fah­ren einzuleiten. In Mag­de­burg ver­su­chen fünf Mit­ar­bei­ter der Clearing-Stelle die Hinter­gründe und Umstände der Flucht zu klären. Auch Alter und Identität der Kinder werden festgestellt.

Berufsvorbereitung für minder­jäh­rige Flüchtlinge

Das Jugendamt bestimmt auch einen Vormund. In Sachsen-Anhalt ist das in der Regel der Verein Refugium, der sich mit einem hauptamtlichen und 15 ehrenamtlichen Mitarbeitern um die Kinder kümmert. „Es gibt Probleme, die nicht gelöst sind, und es gibt Menschen, die angesichts dieser Probleme nicht verzagen“, sagte Joachim Gauck.

Der Bundespräsident informierte sich in Magdeburg auch über die Arbeit der Berufsschule „Hermann Beims“, in der minderjährige Flüchtlinge zwischen 15 und 18 Jahren eine Berufsvorbereitung absolvieren. Von den hand­werk­lichen Fähig­kei­ten der Jugend­lichen konnte sich das Staatsoberhaupt per­sön­lich über­zeu­gen. Die Flüchtlinge überreichten Gauck einen Kerzenständer, den sie gebaut hatten. Das berufs­vor­be­rei­ten­de Jahr bereitet die Jugendlichen auf eine Ausbildung vor. Ab dem 18. Lebensjahr sollen sich die Flüchtlinge darüber selbst finan­zie­ren.

Gauck mahnt zu Entschlossenheit gegen Angststrategien

Für Joachim Gauck sind diese Ein­rich­tun­gen „positive Sig­nale der Ermutigung“. Er mahnte, sich nicht zurück­zulehnen. Es gebe eine Men­ge Hand­lungs­bedarf. Denn der Zustrom an Flüchtlingen werde anhal­ten. Sachsen-Anhalt rechnet im kommenden Jahr mit rund 9.000 Flüchtlingen, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Vom Bund erhalte das Land 2015 und 2016 jeweils 13,5 Millionen Euro, um die zusätzlichen Ausgaben decken zu können.

Zum mut­maß­li­chen Brand­an­schlag auf Flücht­lings­unter­künfte in Fran­ken sagte Gauck: „Wir kön­nen nur mit aller Ent­schlos­sen­heit der an­stän­digen Men­schen rea­gie­ren. Wir wer­den uns nicht von Brand­stif­tern jeder Cou­leur in Angst­stra­te­gien jagen las­sen, sondern es wird un­sere Ent­schlos­sen­heit för­dern, eine Poli­tik zu ge­stal­ten, die auf un­seren hu­ma­nen Wer­ten beruht.“