Volksstimme / Magdeburg Aus einer Idee ist ein besonderes Projekt des Magdeburger Puppentheaters entstanden – dank Spenden der Aktion „Volksstimme-Leser helfen“.
Von Jennifer Lorbeer
Gestellte Szenen, bei denen Ohren lang gezogen werden, und Koffer zum Trommeln – die Aufgaben, denen sich die Nachwuchsschauspieler vom Projekt „Das Haus“ stellen, sind doch anders als erwartet. Minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge und deutsche Kinder sollen in dem integrativen Modellprojekt vom Magdeburger Puppentheater und Refugium e. V. zusammen ein Theaterstück entwickeln. „Die Übungen helfen dabei, Themen für das Stück zu finden und sich aufeinander einzustimmen“, erklärt Marlen Geisler, die als Theaterpädagogin die Puppenspiel-Gruppe leitet. „Die Ideen tragen wir dann zusammen und entwickeln daraus die Handlung.“ Bis dahin arbeiten die 14- bis 18-Jährigen ohne Drehbuch und entwickeln eigene Geschichten.
Einblick ins Puppentheater
Unter der Aufgabe „Was ist für euch Frieden oder Freiheit?“ malen die Jugendlichen Bilder mit ihren Ideen. Dabei findet sich beispielsweise ein Blick in die Zukunft von Omid, der als Apotheker arbeiten möchte. Hussain und Hassan schlagen hingegen als Thema die Gleichberechtigung von Frauen und Männern vor. Für die Zwillingsbrüder bietet „Das Haus“ viele Möglichkeiten, um sich und ihre Ideen einzubringen. „Ich finden das Projekt sehr gut, vor allem weil wir dabei Deutsch lernen und auch Kontakte zu anderen aufbauen können“, sagt Hassan in einem Mix aus Deutsch und Englisch und Hussain ergänzt: „Wir haben zwar schon in Afghanistan an einem Theater gespielt, aber hier können wir direkt von den Profis lernen.“
Übungsszene mit dem Thema „Rauchen verboten!“: Muslim (links) und Omid (rechts) ziehen Hussain und Hassan die Ohren lang
(Foto: Jennifer Lorbeer)
Zu diesen Profis gehören neben Projektleiterin Geisler Schauspieler Michael Morche, der ebenfalls die Puppenspielgruppe betreut, auch Puppenspieler Florian Kräuter, der den Nachwuchsschauspielern Einblicke ins Puppen- und Objekttheater gibt. Die Jugendlichen sehen fasziniert zu, wie Kräuter in einer Szene spielt, wie sich ein Deo- und ein Haarspray ineinander verlieben – ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Gleich darauf probieren sich die jungen Puppenspieler selbst aus und erwecken mit kleinen Bewegungen und Lauten ein Stück Papier zum Leben.
Ähnlich verlaufen die Proben hinsichtlich der Kommunikation. Die unterschiedlichen Sprachen sind seit dem ersten Zusammentreffen im Februar ein Problem. „Wir suchen noch dringend Unterstützung bei der Übersetzung“, berichtet Marlen Geisler. „Bisher läuft es mehr oder weniger mit Händen, Füßen und dem Google-Translator auf dem Smartphone.“ Mit einer Mischung aus Englisch und Französisch dolmetschen die Projektleiterin und Michael Morche die Aufgaben für die geflüchteten Jugendlichen.
Hussain und Hassan fungieren dabei als Vermittler und übernehmen den persischen Sprachteil für die afghanischen Teilnehmer. In welcher Sprache das Stück letztlich aufgeführt wird, steht jedoch noch nicht fest. Möglicherweise auch als Kombination aus den Sprachen.
Erst durch die Spenden aus der Aktion „Volksstimme-Leser helfen“ 2015 hat das Modellprojekt im Februar beginnen können. Elf Projekte wurden durch „Leser helfen“ unterstützt. Es bringt 25 Kinder und Jugendliche aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und Deutschland zusammen. Neben den Puppenspielern gibt es noch zwei weitere Gruppen: Zum einen die Breakdancer, die das Theaterstück vor allem mit Tanzeinsätzen bereichern sollen. Zum anderen arbeiten junge Nachwuchsjournalisten als „Knipser“-Gruppe daran, die Arbeit der anderen zu begleiten und bis zur Premiere zu dokumentieren.